Beide Bezirke
Südnassau Rheinhessen



Posaunentag Nierstein – Liedpredigt

20. Juli 2014, Nierstein
„Ich spiele dir mit Herz und Mund“

Liedpredigt
Propst Dr. Klaus-Volker Schütz, Rheinhessen

EG 324 Ich singe dir mit Herz und Mund
Großer Chor:
Vorspiel, Gustav Gunsenheimer (*1934)

Gnade sei mit Euch
und Friede von Gott, unserem Vater,
und unserem Herrn Jesus Christus!

Wer war Johann Crüger?

Die beschwingte Melodie,
die wir gehört haben,
wurde von ihm komponiert.

Johann Crüger.
17. Jahrhundert …
… war Organist,
Lehrer und Komponist
und hat die Melodie gefügt,
die wir mit Paul Gerhardts Text
in der Mitte dieses Gottesdienstes betrachten.

In heute
unvorstellbarer Weise,
hat sich Johann Crüger Europa erwandert;
wenn man seine Vita liest,
ist man über die vielen Stationen erstaunt.

Der Vater – Gastwirt.

Johann Crüger besucht die Lateinschule in Guben.

Dann beginnt seine Wanderschaft …

Sorau, Breslau,
Johann Crüger
besucht das Jesuitenkollegium im mährischen Olmütz
und gelangt nach Regensburg,
wo er seine erste musikalische Ausbildung
bei Kantor Paulus Homberger,
einem Schüler des Venezianers Giovanni Gabrielli erhält.

Und weiter zieht er …

Durch Österreich und Ungarn,
wo er einige Zeit in Preßburg bleibt,
kommt nach Freiberg in Sachsen
und von dort nach Berlin.

Von 1622 bis zu seinem Tode
war er 40 Jahre lang Lehrer
am Gymnasium Zum Grauen Kloster,
gleichzeitig Kantor der St. Nicolai-Kirche in Berlin.

1643 lernt er Paul Gerhard kennen,
der in dieser Zeit Diakonus
an der Nikolaikirche war;
etliche Lieder vertont er für ihn.

Der evangelische Choralgesang
verdankt Johann Crüger 76 Melodien

Ein beeindruckendes und fruchtbares Leben.

Ein beeindruckendes Leben in schwerer Zeit.

Im 17. Jahrhundert, in Crügers und Gerhards Zeit,
wurden in Europa 22 Kriege geführt;
die religiösen und dynastischen Spannungen
erreichten im Dreißigjährigen Krieg ihren Höhepunkt.

Dieser Krieg war eine Katastrophe
apokalyptischen Ausmaßes.

Er verwüstete und entvölkerte ganze Landstriche
und verstärkte die Glaubensspaltung der Christen.

Auch für Rheinhessen war die Zeit verheerend.

Viele Dörfer wurden dem Erdboden gleich gemacht.

So wurde die Stadt Osthofen
von spanischen Truppen niedergebrannt.

Erst 1670
wurde das über dreißig Jahre hin
menschenleere Dorf allmählich wieder besiedelt.

Und weil das in vielen rheinhessischen Orten so war,
stammen bei uns in den meisten Ortschaften
die ältesten Fachwerkbauten aus der Zeit nach 1700.

Das Frühere – vernichtet und verbrannt.

Inmitten dieses Schreckens, ein Vertrauenslied.

Paul Gerhartds Verse.

Paul Gerhardt war Pfarrer,
wollte erstmal aber keiner werden.

Die Wirren der Zeit
haben ihn mit in dieses Amt gehoben.

Nach dem Theologiestudium findet er
in dem durch den Krieg verwüsteten Deutschland keine Pfarrstelle.

1643 zieht er nach Berlin.

Dort lernen sich die beiden kennen
Johann Crüger und Paul Gerhardt.

Gerhardt und Crüger
können bis heute
als ein bemerkenswertes Beispiel dafür gelten,br> wie die Zusammenarbeit
zwischen Theologie und Musik,
zwischen einem Kantor und einem Pfarrer sehr gut gelingen kann.

Einer mußte sich nicht
auf die Kosten des anderen profilieren,br> beide haben sich nicht im Stress des Alltags verloren
und konnten ihre Fähigkeiten
in den Dienst der gemeinsamen Sache stellen.

Ich singe dir mit Herz und Mund …

Wir stimmen die ersten beiden Strophen an …

  1. Ich singe dir mit Herz und Mund,
    Herr, meines Herzens Lust;
    ich sing und mach auf Erden kund,
    was mir von dir bewusst.
  2. Ich weiß, dass du der Brunn der Gnad
    und ewge Quelle bist,
    daraus uns allen früh und spat
    viel Heil und Gutes fließt.

BiHuN:
Posaunentags-Signal, Walter Haffner (1925–2002)
Großer Chor:
Strophe 1: Satz 1, Satz: Johann Crüger (1598&%ndash;1662)
Strophe 2: Satz 2, Johannes H. E. Koch (1918–2013)

Vertrauenswissen

Ein Vertrauenslied.

Vertrauen, das auf Gott,
das auf die Größe und Schönheit des Lebens setzt.

In allen Wirren,
in aller unvorstellbaren Gewalt,
in Heimatlosigkeit und Flucht.

Ausatmen.

Gott, du bist da.

Bist Abrahams Schoß,
bist die Arme aller Mütter,
die Hand aller Väter,
bist Gehalten-Sein und Lebensvertrauen.

Früh und spat.

Ein Grundvertrauen ist hier formuliert,
wie eine Kindheit, die voller Glück ist und Halt.

Und wenn man
auch nur einen kleinen Moment so empfindet,
ist das Danken, der nächste Schritt,
der sich wie von selbst ergibt.

Der Dank an Gott ist hier in Fragen gefasst,
die sich vor für den Segen verbeugen,
welcher über unserem Leben liegt.

Schauen wir uns diese Fragen singend an …

  1. Wer hat das schöne Himmelszelt
    hoch über uns gesetzt?
    Wer ist es, der uns unser Feld
    mit Tau und Regen netzt?
  2. Wer wärmet uns in Kält und Frost?
    Wer schützt uns vor dem Wind?
    Wer macht es, dass man Öl und Most
    zu seinen Zeiten find’t?
  3. Ach Herr, mein Gott, das kommt von dir,
    du, du musst alles tun,
    du hältst die Wach an unsrer Tür
    und lässt uns sicher ruhn.

BiHuN:
Posaunentags-Signal, Walter Haffner
Großer Chor:
Strophe 4: Satz 3, Gustav Gunsenheimer
Strophe 5: Satz für tiefes Blech (Melodie im Baßschlüssel+Baß+Tenor)
Strophe 7: Satz 3, Gustav Gunsenheimer

Drei Fragen

Drei Grundfragen stellt sich dieses Lied
und gibt poetische Antworten darauf.

Wer bin ich?

Wer ist Gott?

Warum gehören Glaube
und Musik zusammen?

Diese drei Grundfragen stellt sich dieses Lied
und gibt poetische Antworten darauf.

Ad eins:
Wer bin ich?

Der Text dieses Liedes
trägt Frage auf Frage an uns heran
und zeigt damit einen
Grundzug unseres Wesens …

Dass wir Fragende sind.

Viel mehr als Wissende,
sind wir Menschen Fragende
und sollen es auch sein.

Wo wir aufhören zu fragen,
besteht die Gefahr, nur noch funktional zu sein.

Wenn der Mensch nicht mehr fragt …

Dann braucht es auch
keine Kunst mehr und kein Musik,
dann muss kein Maler mehr malen,
dann muss kein Komponist mehr Töne setzen,
dass muss kein Schriftsteller mehr schreiben.

Vor unserem inneren Auge
entsteht dann das Bild einer trostlosen Welt,
die vielleicht nur noch
aus riesigen Datenspiechern
und binären Codes besteht,
die das Notwendige regulieren.

Ein verbreitetes Mißverständnis
besteht darin,
zu denken,
der christliche Glaube
sein nichts anderes
als ein großes Reservoir
grundsätzlicher Antworten,
die ewig gültig sind.

Aber andersherum wird ein Schuh daraus …

Der christliche Glaube ist erst einmal
eine riesige Schublade voller Fragen.

Wer sich zum Glauben aufmacht,
hat mit dem Fragen zu beginnen.

Wer bin ich jenseits aller Funktionalität?

Wer bin ich als atmendes Wesen auf diesem Planeten.

Wohin wird meine Reise gehen?

Wohin will ich, dass sie geht?

Ich bin ein Fragender.

Das Mittel in unserem Lebensprozess,
das Mittel des Vorankommens,
sind die Fragen die wir stellen.

Paul Gerhardt hat das auf seine Weise in Poesie gebracht.

Ad zwei:
Wer ist Gott?

Gott ist das Dach
über dem Haus unserer Tage,
sagt und singt dieses Lied.

Lebende und tote Freunde
finde ich in diesem Haus.

Paul Gerhard und Johann Crüger,
Franz von Assisi, die heilige Clara,
Dietrich Bonhoeffer, Dorothee Sölle,
die Glaubenden und die Zweifler der Jahrhunderte.

Mit Liedern,
wie wir sie heute singen,
mit Musik,
wie sie in diesem Gottesdienst erklingt,
nehmen wir teil
am Glauben anderer Menschen,
und finden so selbst leichter hinein,
das Glaubensbekenntnis zu sprechen,
das Vaterunser und die Psalmen.

Gott ist die Quelle der Schöpfung,
Gott ist die Quelle allen Lebens, sagt und singt dieses Lied.

Es leitet an,
die eigene zittrige Stimme
in das große Lob der Welt zu bergen.

Der Glaube an Gott ist wie ein Fixstern für unser Leben.

Das hat kein Theologe gesagt,
sondern Jürgen Klopp,
damals noch Trainer von Mainz 05,
bei einem Buß- und Bettagsgottesdienst,
zu dem ich ihn 2007 eingeladen hatte.

Sieg und Niederlage war das Thema
und sinngemäß hat er so gesagt …

Es braucht schon diesen Blick „nach oben“,
um aus der Mühle, in der wir leben, auszubrechen.

Um sich über eine Kleinigkeit zu freuen,
obwohl man vielleicht gerade
eine ätzende und unnötige Niederlage kassiert hat.

Um zu kapieren, was im Leben „wertvoll“ ist.

Für mich ist der Glaube an Gott
wie ein Fixstern, der immer da ist.

Ein treuer Begleiter,
der dir oft dann Kraft schenkt,
wenn du gar nicht mehr damit rechnest.

Ad drei:
Warum gehören Glaube
und Musik zusammen?

Warum singen wir eigentlich in der Kirche?

Die Weitergabe des Evangeliums,
vor allem die Weitergabe
an die kommenden Generationen
braucht eine gewinnende Gestalt.

Und die Musik
ist eine der gewinnendsten unter ihnen.

Das Evangelium ist Freiheit pur.

Der Tod ist besiegt,
der Himmel aufgeschlossen.

Lebensfreiheit ist es, die wir zu feiern haben.

Dazu braucht man guten Klang.

Ich sing und mach auf Erden kund!

Nur als singende Kirche
sind wir eine überzeugende,
gewinnende, einladende Schar.

Als singende Kirche sind wir ausgerichtet.

Wir feiern den lebendigen
und zugewandten Gott und nicht uns selbst.

Dass das Leben eine Tiefe hat,
die hinaus geht über Alltag und Beruf,
über die großen und kleinen Lebensprobleme.

Ich sing und mach auf Erden kund.

Genau das macht die Bläserarbeit unserer Kirche
und darum ist jedem von Ihnen zu danken,
die an dieser Stelle in diesem Gottesdienst
ein Instrument in der Hand
oder ein Notenblatt vor sich haben.

„Lobe den Herrn, meine Seele,
und was in mir ist seinen heiligen Namen!
Lobe den Herrn, meine Seele,
und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat!"

Wie unser Lebens-Lob aussieht, liegt bei uns.

Der eine spielt Posaune,
der andere Englisch-Horn,
der eine klatscht in die Hände, der andere tanzt,
der eine geht in den Kirchenchor
und singt etwas von Bach oder von Puccini,
der andere spielt etwas von Duke Ellington.

Damit umarmen wir Gott und die Welt.

Jeder Mensch betet in seiner eigenen Sprache,
so sagt es Duke Ellington,
der Altmeister des Jazz,
in seinem dritten geistlichen Konzert.

Jeder betet in seiner eigenen Sprache.
Every man prays in his own language.

Möge es so sein und bleiben.

Wir singen die Verse 15 bis 18 unseres Liedes …

  1. Was kränkst du dich in deinem Sinn
    und grämst dich Tag und Nacht?
    Nimm deine Sorg und wirf sie hin
    auf den, der dich gemacht.
  2. Hat er dich nicht von Jugend auf
    versorget und ernährt?
    Wie manches schweren Unglücks Lauf
    hat er zurückgekehrt!
  3. Er hat noch niemals was versehn
    in seinem Regiment,
    nein, was er tut und lässt geschehn,
    das nimmt ein gutes End.
  4. Ei nun, so lass ihn ferner tun
    und red ihm nicht darein,
    so wirst du hier im Frieden ruhn
    und ewig fröhlich sein,

BiHuN:
Posaunentags-Signal, Walter Haffner
Großer Chor:
Strophe 15: Satz 1, Satz: Johann Crüger
Strophe 16: Satz 2, Johannes H. E. Koch
BiHuN:
Strophe 17: Satz 3, Gustav Gunsenheimer
Großer Chor:
Strophe 18: Satz 1, Satz: Johann Crüger

EG 324 Ich singe dir mit Herz und Mund
BiHuN:
Nachspiel: Schlusschoral, Gustav Gunsenheimer (*1934)