Beide Bezirke
Südnassau Rheinhessen

Trauerrede für Hans-Georg Lachnitt

Pfarrer Peter Fleckenstein, Versöhnungsgemeinde Ingelheim
gehalten am Freitag, den 16. Oktober 2015

Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde,

am letzten Montag ist Hans-Georg Lachnitt im Alter von 68 Jahren in der Uni Klinik in Mainz gestorben.

Es war ein schwerer Weg zuletzt, ein Auf und Ab, ein Hin und Her zwischen Hoffen und Bangen. Hat er eine Chance in diesem ungleichen Kampf? Wird er wieder auf die Beine kommen und noch einige Zeit mit uns teilen können?

Vor fünf Jahren war ein Tumor in der Lunge festgestellt worden. Mit einem Mal steht die erschreckende Diagnose im Raum. Mein Leben auf Messers Schneide, meine Tage sind gezählt, meine Lebenszeit begrenzt. Was uns allen blüht, steht einem plötzlich klar vor Auge.

Das übliche Programm begann mit Operation, Chemotherapie, Bestrahlung. Herr Lachnitt war bereit, den Kampf aufzunehmen. Und für viele Wochen und Monate hat er sich tapfer geschlagen. Er hat die Einschränkungen, die die Krankheit mit sich brachte, angenommen, getragen und versucht, das Beste daraus zu machen. Er hat weiterhin seine Aufgaben und Pflichten erfüllt, organisiert und vorbereitet, was eben getan werden konnte.

Er war ja schon einige Jahre im Ruhestand, hatte seine berufliche Karriere beendet. Im Posaunenwerk unserer Landeskirche hat er sich intensiv eingebracht, bei den Paulusbläsern in Mainz und als Bezirksvorsitzender des Verbandes hier in Rheinhessen. Er hat regionale Treffen mit organisiert wie zuletzt in Nierstein und sich Gedanken gemacht, was gespielt werden sollte bei den Serenaden oder in den Adventsgottesdiensten.

„Ich will dem Herren singen mein Leben lang und meinen Gott loben, solange ich bin“ heißt es in Psalm 104. Für Hans- Georg Lachnitt müssten wir anstelle des Singens eher vom Spielen reden, ein Instrument zum Klingen bringen, zu Lob Gottes.

Als Konfirmand war er von Pfarrer Kern angeregt worden, ein Instrument im gerade gegründeten Posaunenchor hier in Frei Weinheim zu erlernen. Unter der Leitung von Dr. Stähle gab er dann erste zaghafte Töne auf der Trompete von sich und ist bis zuletzt der Bläserei treu geblieben. „Dem Herrn spielen ein Leben lang, ihn loben, trotz alle, was einem widerfährt.“

Viele Menschen bemühen sich darum. Weil Musik verbindet, mich mit anderen Menschen zusammen bringt, mich meine Stimme spielen läßt, aber eben auch die anderen zum Zug kommen dürfen. Weil viele Noten und unterschiedliche Stimmen zusammen eine neue Melodie ergeben.

Hans- Georg Lachnitt wurde am 11. Augustr 1947 in Bad Kreuznach geboren. Aufgewachsen ist er in Ingelheim, hat viele Jahre im Haus der Eltern in der Breslauer Straße verlebt. Den Beruf des Elektrotechnikers hat er erlernt und viele Jahre bei IBM gearbeitet. Doch er war, wie Sie mir erzählten, auch ein Familienmensch. Beim Tanzen in Windesheim haben Sie sich kennen gelernt, Gefallen aneinander gefunden, geheiratet, zwei Jungen das Leben geschenkt.

Dankbar denken Sie an die miteinander verbrachte Zeit, an die zahlreichen Reisen, die sie gemeinsam unternommen haben. Die weite Welt Gottes kennenlernen und darüber froh werden. Zu gerne hätte er noch mit Ihnen den Norden Europas bereist. Der Wunsch blieb unerfüllt. Einen letzten Urlaub verbrachten sie mit anderen Musikern, mit Bläserinnen und Bläsern im Sommer in Brotterode in Thüringen Es war wie eine Stärkung für den schweren Weg, der dann vor Ihnen lag. Zeit zum Musizieren, zum Spazieren, zum Spielen und Genießen bei Tisch. Geschenkte Zeit. Wertvolle Stunden.

Vor fünf Wochen musste Herr Lachnitt dann erneut in die Klinik. Der Tumor war weiter gewachsen, hatte gestreut, machte ihm zu schaffen, raubte ihm die Kraft. „Ich werde wohl nicht mehr heimkommen“ hat er bei seiner Ankunft im Krankenhaus bemerkt und im stillen seinen Zustand richtig eingeschätzt. Die letzten zwei Wochen durfte er dann noch auf der Palliativstation verbringen, allein im Zimmer, in Ruhe und geborgen, umsichtig gepflegt, vorbereitet auf den Tod.

Viele Freunde haben ihn in dieser Zeit noch aufgesucht, haben den Weg ans Sterbebett nicht gescheut, haben sich den hilflosen Momenten am Bett ausgesetzt und ihm damit gezeigt: Wir sind da. Wir halten zu Dir, wir geben dich nicht auf.

„Kämpfe den guten Kampf des Glaubens. Ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.“ Diesen Vers aus dem 1. Timotheusbrief hatte ihm Pfarrer Kern zu seiner Konfirmation mit auf den weiteren Lebensweg gegeben. Das Leben als Kampf, ein Mühen und Versuchen, Anstrengen und auch Scheitern.

In den letzten Tagen vor seinem Tod war Herr Lachnitt recht unruhig, stets mit den Händen in Bewegung, um irgend etwas zu machen. Was bleibt zu tun, wenn unsere Zeit abgelaufen ist? Was muss ich noch richten, sortieren, ordnen? Im Großen und Ganzen blickte er zufrieden auf sein Leben zurück, konnte getrost sagen: Es war gut so wie es war.

Die Arbeit ist getan, die Kinder stehen auf eigenen Füßen, die Familie ist versorgt. Ein neues Auto hatte er noch bestellt, einen etwas kleineres Modell, weil es nicht mehr so schnell gehen muss für ihn, der gerne zügig gefahren ist.

Ein engagierter Mensch ist er gewesen, der sich auch tüchtig aufregen konnte, seinen Gedanken freien Lauf ließ, seinen Mund aufmachte, wenn ihn etwas störte und eben gesagt werden musste. Andererseits sprach er aber nicht viel über sich, kehrte sein Innerstes nicht unbedingt nach außen, behielt, was ihn umtrieb oder belastete, lieber für sich.

Mit Blick auf sein Ende hatte er ein Bild vor Augen vom weiten Meer. Darauf ein Segelboot mit weißem Segel. Es gleitet hinaus in die Ferne. Es wird kleiner und kleiner, verschwindet, wo Wasser und Himmel sich berühren.

Da sagt jemand: „Nun ist es gegangen …“
Ein anderer meint: „Es kommt!“

Der Tod ist ein Horizont, und ein Horizont ist nichts anderes als eine Grenze unseres Sehens. Wenn wir um einen Menschen trauern, freuen sich andere, die ihn hinter der Grenze wiedersehen.

Irgendwie hat ihn dieses Bild angesprochen. Was wird sein hinter dem Horizont? Das Ende oder ein ganz neuer, ganz anderer Anfang?

Hans-Georg Lachnitt war von der guten Nachricht, vom Evangelium erfüllt, dass Gott uns Menschen liebt, dass wir etwas Gutes aus unserem Leben machen sollen und können, dass wir trotz allem Gott loben dürfen, dass wir von ihm gehalten sind im Auf und Ab.

„Ich will dem Herren spielen, mein Leben lang und meinen Gott loben, solange ich bin.“ Das hat er auch als Prediger seiner Kirche, als Prädikant ihn zahllosen Gottesdiensten in und um Mainz versucht und getan.

Was bleibt? Was erwartet uns hinter dem Horizont? Was dürfen wir hoffen, wenn wir hoffen dürfen?

Am Anfang der Bibel steht ein Lied, das Lied der Erlösten. Unter der Anleitung von Mirijam und Mose, begleitet von den lauten Tönen der Trommel, singen die Israeliten das Lied der Befreiten. Gott führt hinaus, ins Weite, ins Freie. Schluss mit der Not, der Enge, Bevormundung, der Einschränkung.

Und auch am Ende der Bibel, im Buch Offenbarung, wird ein Lied angestimmt, denn die Not ist vorüber. Jammern und Klagen sind am Ende. Gott wird alle Tränen abwischen. Krankheit und Schwäche, Kummer und Sorgen, Mord und Totschlag gehören der Vergangenheit an.

Gott schaff ein Neues, vollendet, was Stückwerk geblieben war. Zukunftsmusik, zugegeben, doch sie kann schon heute anklingen und uns in Bewegung setzen. In dieser Zuversicht, mit dieser Hoffnung dürfen wir von Hans- Georg Lachnitt Abschied nehmen. – Amen